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Geschrieben von: Dr. Dieter Kolb   
Donnerstag, 03. Juli 2008 um 15:29
Schafabtrieb in Island


Im Spätfrühling werden in Island die Schafe in das Hochland gebracht und grasen dort den ganzen Sommer über.

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Dort sind keine einzelnen Weiden abgegrenzt, die Flüsse bilden natürliche Grenzen, die einzelnen Bezirke sind durch Zäune voneinander getrennt. Die Zäune wurden in den 40er Jahren gezogen, um ein eventuelles Übergreifen von Seuchen (damals die „Traberkrankheit“ bei Schafen),
auf das ganze Land zu verhindern. Solche Zäune verhindern auch, dass die Schafe von der Allmende in das landwirtschaftlich genutzte Gebiet „einfallen“.


Im September werden die Schafe von Treiberkolonnen zu Pferd im Hochland zusammen getrieben, was je nach Gelände und Anzahl der Schafe bis zu einer Woche dauern kann. Durch meine Bekanntschaft mit Stefan Jonsson, genannt Stebbi, war es mir möglich zweimal bei dem Schafabtrieb (göngur oder fjallferd = Fahrt ins Gebirge) teil zu nehmen.

Stebbi, Stefan Jónsson, wohnt im Süden Islands, in Hrepphólar im Hrunamannahreppur, das von der Stóra Laxá und der Hvítá in der Breite und dem Kerlingafjöll zum Hochland hin begrenzt wird.

In diesem Bezirk findet das Göngur Mitte September statt. Die Schafbesitzer und ihre Helfer reiten in zwei Gruppen zum Hochland, die eine an der Stóra Laxá entlang (sudurleid), die andere entlang der Hvitá,vom Gullfoss aus (nordurleid).



Beide Gruppen treffen sich am dritten Tag im Hochland beim Kerlingafjöll.
Jede Mannschaft besteht aus etwa 20 Reitern mit je zwei oder drei Handpferden. Begleitet werden die Reiter von zwei bis drei großen Traktoren mit einachsigen Anhängern, die den Proviant und die Zelte auf Fahrspuren an die jeweiligen Rastplätze transportieren.

Bis ins Hochland wird im Pulk geritten, die Handpferde laufen zum Teil frei mit.
Dort oben beginnt am dritten Tag der eigentliche Schafabtrieb. Die Treiber reiten im Abstand von

1 – 2 km über Stock und Stein und bilden so eine Kette. Die entdeckten Schafe werden in Richtung Mitte talwärts getrieben.

Hier sind nun meine Eindrücke des Göngur 1985:

11.9. Ankunft in Keflavík

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Transfer nach Hreppholar durch Dieter Luckas (Freund, der mit seiner Familie in

Reykjavík lebt)

12.9. Nach dem Frühstück fuhren wir mit dem Auto in Richtung Gullfoss. Dort stehen
auf halbem Weg bei Guðmundur unsere Pferde, die am Vortag dorthin geritten worden waren. Mit ihm, seinen beiden Söhnen und später Siggi geht es weiter durchs Tungufelldalur nach Svinárnés.
Die Handpferde liefen immer frei mit, auch die mit Packsattel.

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Nach einer Mittagspause mit Haschee, Broccoli und Blumenkohl in Tungufell, dem letzten Hof vor dem Hochland, geht’s weiter.
An einem Zaun, der das Hochland begrenzt, stellen wir fest, dass der Packsattel fehlt. Stebbi und ein Anderer meinen, der könne nur etwa 8km zurück verloren gegangen sein. Im Rennpass machen sie sich auf den Weg zurück und kommen nach knapp 40 Minuten mit dem guten Stück zurück!

In der Hütte gibt es ein kräftiges Abendessen mit Pilzen, die die Traktorbegleitung unterwegs gefunden haben. Gesang und Unterhaltungen, spät ins Zelt.


13.9. Nach dem Frühstück, Waschen und Zähneputzen mit fließendem Wasser, im Bach, geht es ins Gebirge in Richtung Kerlingafjöll. Ich habe 2 Handpferde! Auf halbem Weg steht der Traktor mit Eirikur, Mittagspause.

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Danach steigen Stefán und ich auf den zweirädrigen Wagen, nehmen die Sättel mit,

die Pferde laufen mit der Gruppe und wir fahren vor zur Hütte Ásgarður. Hier oben beginnt die Suche nach Schafen. Wir sind hier im Hochland zwischen Langjökull

und Hofsjökull, etwa in der Mitte Islands. Überall Geröllfelder.Vor der Hütte lassen

wir den Anhänger stehen und fahren mit dem Traktor ganz hoch auf die Berggipfel.

Im Frühjahr ist dies hier ein Skigebiet.
Heisse Quellen, Schneefelder und herrliche Naturfarbspiele.

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Von dort oben treiben wir die ersten Schafe zurück in einen Pferch, zu Fuß tappen wir etwa 12 km hinter den Tieren her.

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Wir sehen die Anderen kommen, die hatten sich geteilt und treiben auch schon

Schafe mit.
Bis zum Dunkelwerden entdecken wir immer wieder Schafe, die dann in den Pferch getrieben werden.
Die Pferde kommen in eine Schutzhütte, An den Innenwänden wird Heu vorgelegt.
Es sind knapp 30 Tiere aus verschiedenen Herden - es gibt aber keine Keilerei, die sind ja auch eine weite Strecke zusammen gegangen!
Eines meiner Pferde zeigt bei der Ankunft komische Symptome.
Kolik (hrossasótt).

Stebbi holt aus seiner Satteltasche eine Spritze, macht dem Pferd eine Injektion, ich führe es eine Weile und es kann dann zu den anderen in die Hütte.
Nach einem kurzen Nachtessen sitzen wir noch ein wenig in unserer Hütte, erzählen

und singen.

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14.9. Vor dem Frühstück stehen plötzlich 9 Schafe vor der Tür, die danach verschwunden sind. Zusammen mit Siggi muss ich die suchen und in den Pferch

bringen, die Anderen suchen mit den Pferden systematisch das ganze Gebiet ab.

Eines von "unseren" Schafen ist besonders bockig und störrisch und will nicht so

wie wir, wir ziehen, schieben und tragen es. Dann suchen wir die Umgebung ab,

danach die Gegend bis zu dem kleinen Feldflugplatz und in die Gegend
des Jökullquisl. Abends fallen wir nach einem raschen Abendessen erschöpft

in die Falle.

15.9. Beim Blick aus dem Fenster ist alles weiß von Schnee verzuckert mit einem

herrlich blauen Himmel.

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Wir treiben unsere Schafe zum Fosslaekur und treffen gegen Mittag auf eine Gruppe

der suðurleið.
Wir schwärmen bis in die Nähe des Hvitavatn aus um immer neue Schafe zu finden.

In Fosslækur neben einer alten Torfsodenhütte haben die Traktorfahrer schon die

Zelte aufgebaut

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und heißen Kaffe gebraut. Als wir die Schafe an der Hvitá entlang bis in den Pferch getrieben haben und müde und hungrig zu den Zelten kommen, ist schon das Abendessen fertig!
Nach dem Essen wandert man von einem Zelt zum anderen, spricht ein wenig und

die Flaschen kreisen. Einige singen. Es klingt ganz erhebend.

16.9.
Früh weg, wieder ganz in die Nähe des Hvitárvatn, immer den Bláufell im Blick haben wir die ganze Gegend nach Schafen abgesucht.
Gegen 2 Uhr haben wir den Rest der suðurleið Mannschaft getroffen. An der Hütte

von Svinárnés

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vorbei haben wir die Herde ins eingezäunte Gebiet getrieben und sind dann in einem mords Speed zur Hütte zurück geritten.
Abends gab’s eine riesen Gaudi weil einigen der Brennivín gar zu gut schmeckte.

Magnus machte, wie wenn ihm der halbe Gullfoss gehören würde.

17.9. Außerhalb des Zaunes haben wir in einer ganz langen Kette - mindestens

2 km von Mann zu Mann - die Gegend abgesucht.
Stebbi hat mir empfohlen, den Galan (dicke Wetterkleidung) anzuziehen, wie alle.

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Aber die Sonne schien doch so schön!
Nach einer Stunde begann es so zu schütten - und wenn ich sage schütten, meine

ich schütten! -, dass ich nach kurzer Zeit keinen trockenen Faden mehr am Leib

hatte. Trotzdem musste ich immer weiter reiten.
Es gab wegen des extremen Wetters sogar Luftspiegelungen, einmal sah ich Óli, der etwa 12 km von mir entfernt sein musste, zum Greifen nah über dem nächsten Hügel.
Zur Mittagsrast traf ich Reiter der Südgruppe.

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Langsam wurden die inneren Kleidungsschichten durch die Körperwärme wieder etwas trockener.
Doch kurz nach dem weiterreiten goss es wieder fürchterlich.
Gegen 16 Uhr erreichten wir ein Tor und trieben nun bis 18 Uhr die bisher zusammengetriebene, stattliche Herde ins Gatter von Tungufellsdalur.
Viele Bauern waren mit dem Auto von den Höfen gekommen um die Schafe anzuschauen.

So auch Siggi von Eiðfaxi, mit dem Jón, Magnus und ich zum übernachten nach

Fluðir fahren konnten.

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Vor dem Haus ziehe ich die Stiefel aus und kann aus jedem mindestens einen halben Liter
Regenwasser schütten, das mir den Tag über am Körper entlang dorthinein gelaufen

war. Jón´s Frau Helga, versorgt uns nach einer heißen Dusche mit trockener Wäsche, einem tollen Abendessen - wir hätten aber alles gegessen - und während wir langsam abschlaffen, wäscht und trocknet sie unsere Sachen.

18.9. Kurz nach 6h Wecken, ein Nachbar bringt seinen Sohn und auch uns zu den Schafen.
Heute sind von überall her Mitreiter gekommen, die uns das letzte Stück bis zum Hrunamannarétt begleiten wollen. Immer Neue kommen dazu, Kinder, Verwandte und Freunde der Göngurmänner.
Unsere Handpferde werden ohne Sattel von Familienmitgliedern oder Bekannten

geritten.
Kurz vor 8 Uhr ist Abmarsch, die Tiere sollen nicht gehetzt werden, darum ziehen

wir gemütlich mit vielen Pausen.

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Heute sind nur etwa 28 km zu bewältigen, die Ankunft am Réttirplatz ist gegen 16 Uhr. Die Schafe werden in eine große eingezäunte Koppel, etwa 3 ha getrieben.
Hier scheint ein Volksfest stattzufinden.
Kata ist mit Kleinur (typisch isländisches Schmalzgebäck), Kuchen und Kaffe da, die anderen Gruppen werden auch von ihren Angehörigen versorgt. Überall wird auf das gute Ende des Göngur angestoßen.
Um 18 Uhr sind wir zuhause und werden wieder ´rausgefüttert. Jón (er ist Stebbi´s Vetter, er hat sich während des Rittes sehr lieb um mich gekümmert und mir viel Hilfestellung gegeben) kommt noch vorbei und bespricht den Plan für den nächsten

Tag beim Rettir.


Réttir nennt man das Aussortieren der Schafe und Zuordnen zu ihren Besitzern. Das Gelände auf
dem das geschieht, heißt auch Réttir.
Um die Menge der Tiere zu bewältigen, sind

viele Helfer erforderlich. Aus ganz Island kommen Freunde der Bauern um zu helfen

und dann gehörig zu feiern. Abends ist dann meistens der Réttirball.


19.9. Während Kata und Stebbi früh die Kühe melken, kommen Dagbjartur, ein Freund Stefáns, mit seiner Frau auf dem Hof an. Ich biete ihnen Kaffe an und erfahre, dass Dagbjartur am Vortag noch Fisch mit einem seiner Schiffe in Bremerhafen gelöscht hat. Er ist dann mit dem Taxi nach Hamburg, von dort mit dem Flugzeug nach Kaupmannahöfn (Kopenhagen) und von dort weiter mit dem Flugzeug nach Keflavík geflogen.
In Grindavík - nur 15 km vom Flughafen entfernt wohnt er und
heute morgen haben sie die 150 km hierher zurückgelegt - nur um beim Réttir dabei

zu sein. Das sei halt Tradition!

Um halb zehn fahren wir in mehreren Wagen ab nach Hruni zum Rétir.

Die Schafe wurden in mehreren Gruppen, jeweils etwa 3000 Stück in das Inere des Réttir getrieben und dann aussortiert und in die Abteilungen der jeweiligen Besitzer gebracht.

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In den Autos, die rund um das Réttir stehen, waren Kaffe, Säfte, Brote, Kuchen,

Kleinur und alles, was man sonst bei und nach den Strapazen braucht. Immer wieder während des Aussortierens der Schafe machte man bei Kata eine kleine Rast. Kurz vor zwei Uhr waren die Schafe getrennt.
Es waren insgesamt über 12 000 Tiere, davon etwa 1 200 für Stefán, die dann die Straße entlang heim getrieben wurden.

Nun standen wir noch mit den Zuschauern herum. Ein über Achtzigjähriger erzählte mir, dass er Seemann gewesen sei und auch einmal in Deutschland auf der Loreley gestanden hätte - und sofort begann er zu singen:
"Ich weiß nicht, was soll das bedeuten..."


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In Hrepphólar gab es dann die traditionelle, immer wieder köstliche, réttirsupa.
Damit

war dieses großartige Erlebnis beendet. Zum Réttirball konnte ich nicht bleiben,

da ich noch zu Freunden in den Norden wollte, wo ich auch noch ein Réttir erleben konnte.

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